Wusstet Ihr, dass es in Grünwettersbach einen "Kiwwelscheißerbrunnen" gibt?
Der Erhalt und die Erlebbarkeit der Ortsgeschichte sind uns wichtig - Heute wollen wir über einen etwas lustigen Teil der Grünwettersbacher Brunnengeschichte berichten.
Der Grünwettersbacher „Kiwwelscheißer-Brunnen“, offiziell benannt als "Lammplatzbrunnen", ist auf den Fotos zu sehen. Sicher haben Sie sich auch schon Gedanken über diesen nicht alltäglichen Brunnen gemacht, der eine interessante historische Hintergrundgeschichte zu erzählen hat. Im Jahr 1997 wurde er vom Verein Wettersbacher Selbständige e.V., der Ortsverwaltung und dem Ortschaftsrat Wettersbach in Auftrag gegeben. Der Brunnen wurde vom Grünwettersbacher Bildhauer und Steinmetz Ralf Löffler entworfen und gefertigt. Finanziert wurde der Dorfbrunnen durch Spenden und Mitarbeit des örtlichen Bauhofes.
Der Brunnen besteht aus drei geschichtlichen Elementen. Der Brunnentrog stammt aus dem alten Grünwettersbacher "Rohrbrunnen" im Unterdorf, der Brunnenstock war bis 1932 Teil des Fallbrunnens. Auf den Brunnenstock wurde künstlerisch der "Grünwettersbacher Kiwwelscheißer" gesetzt.
Der volkstümliche Name des Brunnens bezieht sich auf einen früheren Spitznamen der Grünwettersbacher. Als es um die offizielle Namensgebung des Brunnens ging, war der Ortschaftsrat Wettersbach nicht mehr so mutig, wie vorher bei der Ausschreibung. Der Name "Kiwwelscheißer-Brunnen", der auch als Arbeitstitel verwendet wurde, fand im Rat keine Zustimmung. Da der Brunnen seinen Standort auf dem Platz des ehemaligen Gasthauses Lamm hat, einigte man sich im Ortschaftsrat auf die offizielle Bezeichnung "Lammplatzbrunnen".
Am 15.06.2023 erhielt der Brunnen eine Auszeichnung als Trinkwasserbrunnen. Das bedeutet, dass die Qualität des frischen Trinkwassers aus dem Brunnenrohr, regelmäßig geprüft wird.
Lammplatzbrunnen
Am Standort dieses Brunnens befand sich
bis zum Jahre 1974 das weithin bekannte
Gasthaus „Zum Lamm“.
Der Trog dieses Brunnens gehörte zum so
genannten „Rohrbrunnen“. Über Generationen
hinweg diente er der einheimischen
Bevölkerung im „Unterdorf“ zur Wasserentnahme
und als Viehtränke. Er stand bis zum
Jahre 1930 vor dem Haus Nr. 37 an der
Hauptstraße in unmittelbarer Nähe des
jetzigen Standortes.
Der Brunnenstock gehörte bis zum Jahre
1932 zum Fallbrunnen unterhalb des Ortes.
Über Jahrhunderte hinweg bis zum Jahre
1892 war der Fallbrunnen die wichtigste
Wasserstelle für die Versorgung von
Grünwettersbach und den umliegenden
Orte.
Beide Elemente wurden um Jahre 1997
zusammengeführt zum neuen
LAMMPLATZBRUNNEN, der am 11. Juli 1997
eingeweiht wurde.
Gestiftet vom Verein Wettersbacher Selbständiger e. V.
und von der Bevölkerung Grünwettersbach und Palmbach.
Wieso nannte man früher die Grünwettersbacher „Kiwwelscheißer“?
Der Grünwettersbacher „Lammplatzbrunnen“, im Volksmund „Kiwwelscheißerbrunnen“ genannt, erinnert an eine interessante Zeit in der Geschichte des Dorfes. Früher gab es keine Kanalisation und die Menschen erledigten ihre Notdurft in Eimern oder Kübeln, die als "Kiwwel" bezeichnet wurden. Diese wurden dann zu gegebener Zeit auf die Felder ausgebracht. Der Übername "Kiwwelscheißer" wurde den Bewohnern von Grünwettersbach gegeben, da sie dies wohl über Jahrhunderten so ausübten.
Der Ursprung des Übernamens geht auf die landwirtschaftlichen Aktivitäten der Einwohner zurück. In Zeiten, in denen das Futter für das Vieh knapp war, musste der Misthaufen kleiner gehalten werden. Dadurch fehlte es jedoch an Dünger für die Äcker und Wiesen. Einige Familien entschieden sich daher, ihre Notdurft direkt auf den Eimern zu verrichten, anstatt den Umweg über die Jauchegrube zu nehmen. Dies führte zur Entstehung des Übernamens "Kiwwelscheißer".
Es wird auch berichtet, dass die Bewohner von Grünwettersbach die ersten waren, die einen Kübel zur Erledigung ihrer Notdurft benutzten, noch bevor das Plumpsklo erfunden wurde. Eine weitere Legende besagt, dass die Bewohner von Wolfartsweier nur an Regentagen ihren Waschtag abhalten konnten, da der Wetterbach nur bei Regen Wasser führte. Um den Bewohnern von Wolfartsweier sauberes Wasser für ihre Wäsche zu ermöglichen, mussten alle Bewohner von Grünwettersbach ihre Notdurft in Kübeln verrichten und nicht in den Wetterbach ableiten.
Ortsnecknamen
Ortsnecknamen wie die "Kiwwelscheißer" entstehen in der Regel aufgrund besonderer Begebenheiten, hervorstechender Eigenschaften oder Gewohnheiten der Bewohner. Sie können auf geografische Merkmale, historische Ereignisse, berühmte Persönlichkeiten oder wirtschaftliche Aktivitäten zurückgehen. Die genaue Entstehungszeit und der genaue Grund für einen Ortsnecknamen können von Ort zu Ort unterschiedlich sein und oft entwickeln sie sich im Laufe der Zeit durch mündliche Überlieferung. Oft wurden diese Necknamen im 20. Jahrhundert von den Verspotteten selbst aufgegriffen und als Teil ihrer Identität betrachtet.
Der Dorfbrunnen ist daher ein interessantes Denkmal, das die lokale Geschichte und Identität von Grünwettersbach widerspiegelt.
Den Brunnen finden Sie in 76228 Karlsruhe - Grünwettersbach, Am Wetterbach 37, gegenüber vom Rathaus Grünwettersbach, bzw. der Ortsverwaltung Wettersbach. Einen weiteren Brunnen zum selben Thema gibt es in Mosbach.
(Zusammengestellt von Roland Jourdan, Fotos: Roland Jourdan)
Ausschnitt aus einer Ansichtskarte aus dem Jahre 1898: Am Platz des heutigen Brunnens und der angrenzenden neuen Gebäude stand früher das Gasthaus Lamm. Das Gebäude wurde 1974 abgerissen.
Die gleiche Ortsansicht ca. 130 Jahre später. (Foto: Roland Jourdan am 31.01.2024)